Daniela Gregori,
Francis Alÿs - Le temps du sommeil: Das Passagen-Œuvre
Spaziergänge sind eine gute Sache. Gemäßigter Schritt, bisweilen frische Luft, vor allen Dingen jedoch hindert es einem an Vorgängen, die womöglich mit Konsequenzen verbunden wären. In diese Richtung gehen auch die grundlegenden Gedanken, die Francis Alÿs 1992 in Mexico City für seine Arbeit formuliert:
As long I’m walking, I’m not choosing
As long I’m walking, I’m not smoking
As long I’m walking, I’m not making
As long I’m walking, I’m not falling
As long I’m walking, I’m not adding
As long I’m walking, I’m not drinking
As long I’m walking, I’m not crying
As long I’m walking, I’m not painting
Etc...
Angesichts der Mexikanischen Megacity hatte der als Architekt ausgebildete Belgier beschlossen, der Welt nichts Gebautes mehr hinzufügen zu wollen und seinem Werk fortan lieber Spaziergänge zu Grunde zu legen. Freilich sind jene Touren durch die Stadt nicht immer ganz so harmlos, wie man meinen möchte, man denke nur an die Arbeit aus dem Jahre 2000 für die Alÿs mit einer geladenen Beretta in der Hand durch die belebten Straßen geht, bis er von der Polizei aufgegriffen wird. Auch hat der Künstler seither seinen Aktionsradius kontinuierlich erweitert, ist zum Grenzgänger, Brückenbauer, Passagier prekärer Übergänge geworden. Poesie und Politik vermögen sich in diesem Œuvre vortrefflich zu ergänzen. Im Graphischen Kabinett der Secession werden zwei dieser Spaziergänge, die gegensätzlicher nicht sein könnten, alternierend gezeigt. Sometimes Doing Something leads to nothing gilt gleichsam als Motto für Paradox of Praxis 1 aus dem Jahre 1997 und zeigt den Künstler wie er in gleisenden Sonne einen Eisblock durch die Straßen befördert, bis nichts mehr davon übrig bleibt. Für Paradox of Praxis 5 (2013) hingegen kickt Alÿs einen brennenden Ball durch den trostlosen Grenzort Ciudad Juárez. Auch hier werden gleich einer somnambulen Handlungsanleitung erklärende Worte gefunden: Sometimes we dream as wie live & sometimes we live as we dream
Im Hauptraum hingegen ist der Besucher zu einem kleinen Spaziergang entlang der Wände eingeladen. Unter der Devise: Paint an image, record the image, paint another image over it, to leave only the sign arbeitet Alÿs seit 1996 an dem Polyptichon Le Temps du sommneil. Die 111 kleinen rotbraunen Holztäfelchen zählen womöglich nicht zu dem bekanntesten Werk des Künstlers, für ihn selbst hingegen dürfte es das wichtigste sein. Immer wieder reflektiert Alÿs mit diesen Miniaturen sein bisheriges Œuvre, revidiert und aktualisiert, indem das Alte überarbeitet wenn nicht überhaupt übermalt und jeder Eingriff mittels Gummistempel auf der Vorderseite datiert wird. Diese Impresen, in der antiken Technik der Enkaustik gemalt, gleichen Gedankenblasen, auf denen sinnbildhafte Handlungen vollzogen werden. Einst wurde diese Technik, für die die Farbe mittels Wärme aufgetragen wird, für Mumienportraits verwendet. Die Erinnerung an den Verstorbenen sollte sich ganz buchstäblich auf den hölzernen Malgrund brennen. Für Alÿs hingegen scheint Erinnerung ein revidierbarer, fortlaufender Prozess zu sein. Ein Spazierganz nachgerade.
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Francis Alÿs - Le temps du sommeil
18.11.2016 - 22.01.2017
Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
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