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Die 70er Jahre. Expansion der Wiener Kunst.: Zahm statt explosiv

„Die 70er Jahre. Expansion der Wiener Kunst“nennt sich die aktuelle Ausstellung im MUSA. Besser wäre gewesen „auch Wiener Kunst der 70er Jahre“ oder „ferner produzierten“ oder „Auszug aus dem Bestand“ oder ähnliches. Jedenfalls erwarten sich BesucherInnen, die vielleicht nicht die angesprochene Epoche am angesprochenen Schauplatz selbst erlebt haben, oder historisch weitreichend versiert sind, einen gewissen Querschnitt über das wesentliche künstlerische Geschehen in Wien in den Jahren 1970 bis 1979 zu erfahren, eine aufschlussreiche Essenz somit. Es wird Kunst gezeigt, die sich dem gesellschaftlichen Kontext gegenüber kritisch zu engagieren beginnt, was beachtenswert und dementsprechend ausstellungswürdig ist. Nur wird mit den Exponaten lediglich ein Segment der Wiener Kunstszene vorgeführt, keine hochwertige Essenz dessen, was am Kunstschauplatz Wien in den 70ern pulsiert hat – und leider auch nicht aus dem, was die museumseigenen Bestände bieten könnten. Die präsentierte Selektion ist mitunter fragwürdig, die aktuell getätigte Einteilung in längst überholte, einseitig fokussierte Kategorien, wie im Katalog sortiert, sowieso. Und mit dem Titel wird ein allzu repräsentativer Anspruch auf die Kunst der 70er Jahre in Wien erhoben. Einige Impetus gebende Künstler waren Anfang der 70er aus dem engen Österreich ins Ausland abgewandert, Alfons Schilling nach Paris und New York, Kiki Kogelnik lebte ebenfalls in New York, Günter Brus ging ins „Exil“ nach Berlin, Rudolf Schwarzkogler war verstorben. Otto Muehl konzentrierte sich auf seine eben erst gegründete Kommune in der Praterstraße und Hermann Nitsch begann sein „O.M.Theater“ in Prinzendorf zu realisieren. Der Wiener Aktionismus war mit 1969 ziemlich vorbei. Die Galerie im Griechenbeisl musste 1971 schließen. Ein Brennpunkt der zeitgenössischen Kunst in Wien war die Galerie nächst St. Stephan, deren unkonventionelle, visionäre Ausstellungen in der Öffentlichkeit vielschichtiges Echo hervorriefen. In den „internationalen Kunstgesprächen“ fand hier ein intellektueller Diskurs statt. Joseph Beuys wurde gezeigt und zur Performance eingeladen, VALIE EXPORT kuratierte die Ausstellung „Magna: Feminismus“. Zwar hatten Arnulf Rainer, Walter Pichler und Bruno Gironcoli die Galerie 1971 verlassen, prägten aber dennoch das unmittelbare Kunstgeschehen der Stadt. Josef Mikl, Wolfgang Hollegha, Peter Weibel und andere markante Künstlerpersönlichkeiten waren tätig. Bedeutende Ausstellungen und Erwerbungen gelangen im 1962 gegründeten Museum des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung im MUSA nimmt darauf keinen Bezug, reflektiert die unmittelbare künstlerische Umgebung nicht einmal in den Wandtexten. Immerhin ist Franz West mit wenig bekannten frühen Zeichnungen und durch Fotografien von Friedl Kubelka vertreten. Maria Lassnigs Vorstudien zum Animationsfilm „Chairs“ sind zumindest in einem dunklen Eck zu finden. Die Hängung ist nicht vorteilhaft. Gironcoli hätte man auch mit der sehr aussagestarken zweiten Papierarbeit aus dem Besitz des MUSA präsentieren können. Auch das eine oder andere Werk Hans Staudachers oder Padhi Friebergers, das sehr wohl im Bestand zu finden ist, wäre doch ausstellungswürdig gewesen. Die Präsenz von Beuys in Wien zitiert lediglich die Arbeit auf Papier „Wien freut sich auf Beuys“ von Franz Graf. Arnulf Rainer wird anhand einer kleinen überarbeiteten Fotografie nur als Randbemerkung in Erinnerung gerufen. Das Verdienst von feministischen Emanzipationsversuchen wird allzu sehr auf VALIE EXPORT übertragen, von der ein Schlüsselwerk, „body sign action“, die legendäre Fotografie mit dem am Oberschenkel tätowierten Strumpfband, merkwürdiger Weise vorenthalten bleibt. Vordergründig ist eine frustrierte feministische Bewegung, die um Anerkennung in der künstlerischen wie gesellschaftlichen Szene rang. Die Werkauswahl ist von hoher Qualität - wie Ingeborg Pluhars Collage „Gute Aussichten“, Margit Pilz’ Fotoarbeit „Hommage à Kremser Schmidt“, eine rein weiblich besetzten Persiflage des letzten Abendmahls, oder Linda Christanells sarkastischer Siebdruck „Vaginalflieger“. Lotte Hendrich-Hassmann prangert in „Die drei K: Küche, Kinder, Kirche (Was Frauen unterdrückt)“ die allgegenwärtige Diskriminierung der Frau an. Doch dass die weiblichen Strategien kaum fruchteten, wird in der Ausstellung nicht offensichtlich. Der Fotografie wird ein besonderer Stellenwert eingeräumt, Lois Weinberger verbindet in „Baumfest“ Inszenierung mit gesellschaftskritischer Haltung. Peter Weibels konzeptueller Ansatz wird mit „Die unendliche 1–Wort Ausstellung Nr. 12, 20, 32“ deutlich. Dokumentarisch hält Elfriede Mejchar mit Aufnahmen der „Simmeringer Heide und Erdberger Mais“ den Zeitgeist der Wiener Peripherie fest. Politisches Engagement zeigen Arbeiten aus dem „Bewegungszyklus“ von Lore Heuermann, mit welchen die Künstlerin die Arena bestückte und besetzte. Abstrakte geometrische Tendenzen sind in einem Arrangement von Arbeiten wie von Sepp Auer, Ralf Hartl, Hildegard Joos, Kurt Ingerl und Werner Würtinger in einer Koje zusammengefasst. Die kommenden „Neuen Wilden“ werden mit kleineren Exempeln, etwa von Hubert Schmalix, Alois Mosbacher oder Josef Kern angedacht. Die ebenfalls von der Stadt Wien geförderte Kunst am Bau ist vor den Arkaden des MUSA mit Skulpturen von Rudolf Schwaiger, Karl Anton Wolf, Erwin Reiter oder Franz Katzberger angeführt, in einer zusammenhanglosen Aufreihung vor der Fassade. Insgesamt scheint die Hängung oder Stellung ideenlos und lieblos, die Gegenüberstellungen der einzelnen Werke ohne weiteren Belang. Die betreffenden Beschriftungen sind mühsam aufzufinden, die in Folgen abgespielten Videos sind den am Schild angeführten Namen nicht zuzuordnen. Vermittelt wird vor allem eine triste Stimmung, die im Wien der 70er Jahre vielleicht auch tatsächlich vorherrschend war. Der Besuch der Ausstellung ist ernüchternd, bar jeder Vision, vielleicht auch genau so intendiert, d.h. die besagten Lücken Konsequenz einer kuratorischen Strategie. Diese erscheint mithin suspekt, denn die ganze Schau ist nur teilauthentisch - oder der Titel falsch gewählt.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Die 70er Jahre. Expansion der Wiener Kunst.
02.07.2013 - 04.01.2014

MUSA
1010 Wien, Felderstraße 6-8, neben dem Rathaus
Tel: +43 (0)1 4000 8400, Fax: +43 (0)1 4000 99 8400
Email: musa@musa.at
http://www.musa.at
Öffnungszeiten: Di - Fr: 11:00 - 18:00, Do: 11:00 - 20:00, Sa: 11:00 - 16:00 Uhr


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