Werbung
,

Ursula Hentschläger - Bauhimmel: C-Beams glitter in the dark

„Der Mensch beurteilt die Dinge lange nicht so sehr nach dem, was sie wirklich sind, als nach der Art, wie er sie sich denkt.“ (Alexander von Humboldt). Der Satz steht für die Grundlage aller Naturwissenschaft und ihr Streben, die Dinge zu vermessen, zu beschreiben und in ihren tiefsten Zusammenhängen zu verstehen. Und er steht für die Dichotomie zwischen der vermeintlich objektiv agierenden Wissenschaft und den als „subjektiv“ bezeichneten Wahrnehmungen jedes Einzelnen, also der Aisthesis. Diese sinnliche Wahrnehmung bzw. sinnliche Erkenntnis, die sich aus dem Zusammenspiel der potentiellen Eigenschaften des Beobachteten und den Fähigkeiten des Beobachters ergeben. Ich muss also die Fähigkeit haben, die Farbe Weiß sehen zu können, um die Eigenschaft der Wand weiß zu sein, wahrnehmen zu können.

Das Wahrnehmen ist damit ein höchst individueller Akt, der sich aus dem Moment des Zusammenspiels von Beobachtetem und Beobachter ergibt. So gesehen müsste jede und jeder von uns höchst unterschiedliche Beobachtungen machen und daraus höchst subjektive Erfahrungen ableiten. Und es wäre dann ausgesprochen schwierig, sich darüber auszutauschen und dies zu einer gemeinschaftlichen Erfahrung zu verbinden. Dennoch geschieht das in den Museen dieser Welt tagtäglich. Das kollektive Erleben von Kunst das auf einer gemeinsamen zivilisatorischen Wahrnehmung beruht.

Damit sind wir bei Ursula Hentschlägers Fotoarbeiten, die diese Mechanismen des kulturellen Wahrnehmens ansprechen. Auf den ersten Blick erscheint ihre neueste Werkserie höchst abstrakt, ja ohne näheren Bezug zur Welt zu sein. Erst in der vertiefenden Betrachtung erschließen sich die auf Aluminium gedruckten Fotografien. Sie fungieren als Vexierbilder die uns unterschiedlichste Bilder im Bild sehen lassen. Unser Gehirn wird angeregt zu interpretieren, ergänzen und früher Gesehenes mit aktuellen Sinneseindrücken zu verbinden. Ursula Hentschlägers Fotoarbeiten evozieren unmittelbar eine ganze Kaskade von Referenzbildern, mit denen wir das Sichtbare, das Gesehene in unsere eigene Erfahrung aufnehmen. Die Künstlerin lässt uns mit ihren Arbeiten auf eine innere Reise gehen. Und trotz ihres hohen Abstraktionsgrades, sind ihre Bildfindungen, tief in unserer Kultur verankert. Die Künstlerin zeigt uns kein Abbild einer realen Welt, wie man es von der Fotografie allzu leicht erwartet; sie lässt uns vielmehr erfahren, dass das Sehen sowohl einen persönlichen Akt darstellt, als auch eine kollektive Ebene der Wahrnehmung bildet, über die wir uns verständigen können.

„I've seen things you people wouldn't believe. Attack ships on fire off the shoulder of Orion. I watched C-beams glitter in the dark near the Tannhäuser Gate. All those moments will be lost in time, like tears in rain.“ (Roy Batty, der Replikant in Blade Runner)

Es geht nicht darum, was wir sehen, sondern darum, was wir – gemeinsam – wahrnehmen und so unserer kulturellen Praxis hinzufügen – und das macht der "Bauhimmel" von Ursula Hentschläger möglich.

Mehr Texte von Werner Remm

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ursula Hentschläger - Bauhimmel
18.07 - 19.09.2020

Presshaus Weingut Himmelbauer
2061 Untermarkersdorf, Kellergasse
Email: office@weingut-himmelbauer.at
http://www.weingut-himmelbauer.at
Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: