Werbung
,

Durst: Durststiller

Ewiges Leben auf Erden ist seit langem Menschheitssehnsucht und Furcht zugleich. Jene, denen ewiges Leben gegeben ist, sind gleichzeitig verdammt und müssen dieses im Untergrund und in der Nacht verbringen. Der Mythos der Untoten, die Lebendige verführen, um ihr Blut zu trinken hat immer wieder die Fantasie von Schriftsteller*innen und Filmemacher*innen beschäftigt. Gerade Hollywood hat ganz wesentlich das Bild der Vampire über die Zeit geprägt: Vom Schrecken verbreitenden Monster, über Adaptierungen mit Augenzwinkern bis zur Twilight-Serie, die sogar eine Möglichkeit der Koexistenz von Vampiren und Menschen andeutet, bis zur Endzeit-Parabel über die Aussterbende Blut-Ressource Mensch.

Die Problematik der Ausbeutung schwindender Ressourcen ist auch eines der Themen der Ausstellung „Durst“ im Kunstraum Niederoesterreich, die sich der Figur des Vampirs bzw. dem Vampirismus auf unterschiedlichen Ebenen nähert. Die an verschiedenen Orten in Bulgarien auftauchenden „Vampirgräber“, die auf spezielle Bestattungsrituale verweisen, die ein Wiederauferstehen der Toten als Vampire verhindern sollen, nimmt Katharina Swoboda zum Ausgangspunkt ihrer Installation. Ihr Interesse gilt aber weniger den mythischen Blutsaugern, als vielmehr den selbstbestimmten Frauenfiguren die, oftmals als „Vamp“ bezeichnet, ein hohes Maß an Individualität in einer ansonsten streng patriachalen Gesellschaft leben konnten. Eine Interpretation, die auch in den Zeichnungen von Anne Cathrin Ulikowski zu finden ist. Recht direkt mit dem Lebenssaft Blut geht Alexandra Meyer in ihren „Portraits“ um. 92 kleine Eprouvetten mit Blutproben von 92 (z.T. international ausgesprochen erfolgreichen) Künstler*innen enthalten zwar deren gesamtes Erbgut, ob ein Klonprozess aber eine auch künstlerisch ebenso begabte Kopie hervorbringen würde, ist allerdings fraglich. Künstlerisches Genie durch medizinische Hochtechnologie quasi ewig leben zu lassen, würde allerdings so manche Vermarktungsstrategien der „Siegerkunst“ ad absurdum führen. Das Flüssige, fluide das dem Begriff des Vampirs ebenfalls zugrundeliegt, verhandelt Inka ter Haar in ihrer aktuellen Serie „The Garden“. Ihre teils fragmentierten Figurinen changieren zwischen Selbstheilung und Selbstoptimierung, sind gefangen in einer Zwischenwelt, die durch die dunklen Hintergründe der Gemälde noch verstärkt wird. Einem teils vampirisch-pararsitären Verhalten von Orchideen ist Sarah Rechberger auf der Spur. Diese benötigen, um keimen zu können, einen Pilz, der die winzigen Samen befällt und gleichzeitig mit Nahrung versorgt. In der Massenproduktion, in der in steriler Umgebung mit hocheffizienten Nährböden gearbeitet wird, kippt diese Symbiose allerdings schnell in ihr Gegenteil, da dadurch auch schädliche Schimmelpilze genährt werden, die rasch das ursprüngliche Myzel verdrängen.

Im Gegensatz zu den meist dumpf auf das Menschenfressen reduzierten Zombies, haftet dem Bild des Vampirs als Untotem meist auch etwas menschlich-Zivilisiertes an – eine Lern- und Entwicklungsfähigkeit, die sich auch in der Interaktion mit den Sterblichen manifestiert. Die Ausstellung, zeichnet die Idee einer Symbiose jenseits der romantischen Interpretation Hollywoods, die in unseren aktuell unbestimmten, fließenden Zeiten eine Löschung des unstillbaren Dursts, des nie enden wollenden Konsumismus möglich erscheinen lassen.

Mehr Texte von artmagazine Redaktion

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Durst
01.07 - 14.08.2020

Kunstraum Niederoesterreich
1010 Wien, Herrengasse 13
Tel: +43 1 90 42 111, Fax: +43 1 90 42 112
Email: office@kunstraum.net
http://www.kunstraum.net/de
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-19, Sa 11-15 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: