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art KARLSRUHE: Kunst & Täuschung

Einmal mehr hätte der Freud seine Freud' gehabt. Man sieht ihn immer wieder gerne den Zyklus von Robert Longo, den er anhand der Fotos von Edmund Engelmann von den eben von Freud für immer verlassenen Räumen in der Berggasse gemacht hat. Mittlerweile gibt es die Serie als Druckgraphik in einer Auflage von 30, eine davon hat ihren Auftritt auf einem der beiden Messeständen von Burghard Eikelmann (Düsseldorf) auf der art Karlsruhe. Extra Karten hat man auch gedruckt. „Lucian Freud Cycle by Robert Longo“ prangt es da in großen Lettern und auf die Frage, was es denn mit Lucian auf sich hat, erwidert der freundliche Galeriemitarbeiter, da müsse er beim Chef nachfragen. Die Antwort später ist ehrlich wie charmant: „Freudsche Fehlleistung“. Irgendwie ist der Galerie der Künstlerenkel dazwischen geraten. Fehlleistungen passieren und sind allzu menschlich, hat uns doch Opa Sigmund gelehrt, dass uns das Unterbewusste und geheime Wunschvorstellungen dazu treiben. Sieht die art Karlsruhe womöglich deswegen so aus, wie sie aussieht? Wünscht man sich mit möglichst viel Ware die unterschiedlichsten Geschmäcker anzusprechen und möglichst alles zu verkaufen? Der Gesamteindruck kann stellenweise richtig schmerzen, aber ist das nicht noch jedes Jahr so gewesen? Immerhin ist man auch in der Messeleitung mittlerweile zur Erkenntnis gelangt, dass man sich womöglich doch nicht auf einer Ebene mit der Art Basel befindet. In den Worten der Geschäftsführerin der Messe klingt das deutlich eleganter: „Wir bilden mit der art Karlsruhe aber nicht den hochspekulativen Markt ab. Wir verstehen uns vielmehr als die vielleicht demokratischte, sozialste Messe“. Das ist doch einmal ein wundervolles Alleinstellungsmerkmal!

Das weckt den Entdeckergeist und in der Tat findet man die eine oder andere herausragende Position, mit viel Bedacht zusammengestellte Kojen, ja sogar ein Karree an Ständen, in denen man gerne verbleibt. Im Zentrum davon ein hoch erfreulicher Skulpturenplatz mit Arbeiten von Werner Pokorny der Galerie Baumgarten (Freiburg). Pokorny, Bildhauer der alten Schule, stellt sich den Aufgaben seines Metiers mit konzentrierter Reduktion. In dem Effekte heischenden bunten Durcheinander der Messe ist das von einer bemerkenswerten Zeitlosigkeit und man würde sich wünschen, dies würde durch einen der Messepreise gewürdigt. Unweit davon das absolute Gegenteil in Form eines knallig bemalten BMW und einer von Brillo auf Botox umgedeuteten Boxen des Bielefelder Pop-Artisten Heiner Meyer (Galerie Barbara von Stechow, Frankfurt).

Die König Galerie (Berlin) konzentriert sich im Jahr nach ihrem Messedebut auf eine Einzelpräsentation von Annette Kelm, in deren Zentrum eine Serie steht die die Künstlerin mit aus dem Verkehr gezogenen Geldscheinen gemacht hat. Die sichergestellten Blüten dürfen das Nationale Analysezentrum für Falschgeld in Mainz nicht verlassen, worauf es sich die Künstlerin zur Aufgabe gemacht hat, die Blüten in den Gegebenheiten vor Ort zu Stillleben zu arrangieren. Fake-Geld trifft hier auf Fake-Pflanzen, absurd schlecht abgezeichnete Scheine werden ganz buchstäblich zu Blüten von Zimmerpflanzen, der feingemusterte Teppichboden zum Passepartout einer Portraitgalerie von Dürers Elsbeth Tucher, die einst den 20-Markschein zierte. Kunst und Geld bekommen hier auf eine feine Weise bislang ungeahnte Bedeutungen. Dafür gab es dann auch den mit 15.000 Euro dotierten art KARLSRUHE Preis. Michael Sturm (Stuttgart) darf man mittlerweile zu den art Karlsruhe-Veteranen zählen, dennoch ist der diesjährige Auftritt eine Premiere, nach dem Einstand auf der viennafair letzten Herbst, firmiert er nun gemeinsam mit Gabriele Schober als Sturm & Schober (Stuttgart/Wien). Auffallend hier die Arbeiten des atelierJAK, die sich in ihren Arbeiten laut Eigendefinition „im Raum zwischen Realität und Substanzialität“ bewegen. Was klingt wie eine philosophische Schreckensmeldung, erweist sich als geschicktes Spiel mit Medien und Dimensionen. Eine Linie der Silhouette von Alltagsobjekten wie ein hängender Mantel oder ein zerknülltes Papier wird durch Rotation wieder zum dreidimensionalen Objekt und ausgefertigt als Porzellan zum verfremdeten Stillleben. Computerzeichnungen auf lackiertes Aluminiumpapier übertragen wiederum wirken wie verspannte Fäden in einem Glaskasten.

Franz Stefan Kohl hat sich für seine one-artist-Koje bei artmark (Wien) von einem Tische aus den 1960er-Jahren des schwedischen Möbeldesigners Karl Erik Ekselius inspirieren lassen und das lineare Dekor der Tischplatte für horizon fields #1-#6 in feinen Schwüngen auf Leinwand übertragen und so nochmals zum Leben erweckt. Jede der Arbeiten steht für sich, doch bekommen sie als Fries im Raum samt dem Tisch noch einmal den Reiz der Variation über ein Motiv.

Gleich nebenan bei Knecht und Burster (Karlsruhe) bleibt das Auge an einem verführerisch glänzenden Wackelpudding hängen, gefolgt von einem Arragement von verschiedenen Trinkbehältnissen und anderen Alltagsobjekten. Alabaster, Marmor, Kalkstein, Selenit, Amazonit – die Materialien für seine Skulpturen beschafft sich Andreas Blank aus nahezu allen Erdteilen. Technisch wie konzeptionell überzeugen diese Objekte der Täuschung, bei der sich der Alltag auf einem Sockel wiederfindet.

Nichts ist wie es auf den ersten Blick scheint. Vielleicht muss man sich das einfach auch als Motto auf die Messe mitnehmen oder aber unter dem Aspekt des Demokratischen und Sozialen sehen.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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art KARLSRUHE
13 - 16.02.2020

Messe Karlsruhe
76287 Rheinstetten/Karlsruhe, Messeallee 1
http://www.art-karlsruhe.de
Öffnungszeiten: 11-19 Uhr, Freitag 11-20 Uhr


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