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viennacontemporary: Entdeckungen aus Ost und West

Es ist schon ein Kreuz: Da hat Wien eine der zur Zeit spannendsten Kunstszenen zumindest in Europa und mit der viennacontemporary eine der experimentellsten kommerziellen Plattformen für deren Vermarktung. Und die einheimischen Sammler kommen einfach nicht auf die Füße. Offen sagt das natürlich niemand. Doch hinter vorgehaltener Hand klagen selbst einheimische Aussteller über das konservative eigene Publikum.

Der Mangel an privater Kaufkraft könnte auch die schwache Präsenz westlicher Galerien erklären. Die fortgeschritteneren österreichischen Sammler kaufen in Basel oder London - ein Schicksal, das Wien mit anderen Kunstmesse-Standorten teilt.

Dabei macht die viennacontemporary den Sammlern ein einmaliges Angebot. Während Kunstmessen auf der ganzen Welt immer mehr vom immer Gleichen an ein internationales (Art Basel, Frieze, Fiac) oder regionales Publikum (Art Brussels, Art Cologne, Expo Chicago) liefern, versucht Wien einen anderen Ansatz. Der Fokus auf Kunst aus den CEE-Ländern (Mittel- und Osteuropa) bietet der Messe ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal. Kein anderes Groß- oder Boutique-Event bietet eine solche Anzahl von Galerien aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Von 110 teilnehmenden Galerien stammt fast ein Drittel aus dieser Region, etwas mehr aus Österreich selbst und der Rest aus dem Rest der übrigen Welt - also im Grunde genommen aus Westeuropa.

Immerhin sind lokale Sammler und Institutionen ihren lokalen Kunsthändlern treu geblieben, auch wenn Verkäufe im sechsstelligen Bereich rar sind, von Millionpreisen ganz zu schweigen. Deshalb sind alle wichtigen österreichischen Galerien beteiligt. Das war nicht immer der Fall, doch inzwischen ist die Messe für sie wieder ein Muss. Bei den westlichen Kollegen sieht das anders aus. Für viele von ihnen ist die Teilnahme nur sinnvoll, wenn es einen Bezug zu Österreich gibt. So richtet Philipp von Rosen aus Köln dem in Berlin lebenden Österreicher Markus Huemer eine Solo-Präsentation aus, was sich auszahlt. Schon am ersten Tag sind einige Arbeiten verkauft.

Für Sammler und Institutionen, die sich für östliche Kunst interessieren, ist Wien alternativlos, sei es für zeitgenössische oder historische Positionen. Und die Preise sind günstig, meist im vierstelligen Bereich, sogar für Werke der 60er und 70er Jahre. Zu den Erstteilnehmern gehören selten gesehene Galerien wie AnnArt (Bukarest), Eugster (Belgrad), Galerija Fotografija (Ljubljana), SPZ (Prag) oder Wschód Gallery (Warschau).

Die aktuelle Produktion im Osten steht oft in der Tradition der Konzeptkunst aus den 1960er und 70er Jahren. Und gerade bei den älteren Positionen tut sich eine wahre Fundgrube auf. Plan B aus Berlin und Cluj zeigt Vorarbeiten und Modelle zu monumentalen architektonischen Skulpturen des 2012 gestorbenen Rumänen Horia Damain, der besonders in den 70er und 80er Jahren international Erfolge feierte und danach etwas in Vergessenheit geriet. Die Jecza Gallerie aus Temeschwar stellt das zumeist zeichnerische Schaffen des 1939 geborenen Ciprian Radovan den Arbeiten von Radu Oreian (Jahrgang 1984) gegenüber. Die Preise beginnen schon bei unter 2.000 Euro für mittelformatige Zeichnungen. Solche Entdeckungen dürften sich in Basel auf diesem Preisniveau wohl kaum machen lassen.

Die Messe ist auch Ausgangspunkt für weitere Initiativen, die sich in die Stadt ausbreiten. Die Budapester Galerie acb zeigt in Zusammenarbeit mit dem Privatsammler und -händler Amir Shariat in einem zwischengenutzten Gebäude eine Retrospektive des im letzten Jahr verstorbenen Tamás Hencze. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen wie etwa Victor Vasarely, war der Künstler in Ungarn geblieben und hatte dort seit den späten 60er Jahren eine eigene Handschrift entwickelt, die es jetzt wieder zu entdecken gilt. Fiona Liewehr, die Kuratorin der Zone1, hat zusammen mit Koenig2, dem experimentellen Ableger der Galerie Christine König, ein ehemaliges Hamam aufgetan, in dem sich die Künstler ihrer Sektion mit jeweils einem Werk in diesem sehr schrägen Setting präsentieren können.

Es ist vollkommen unverständlich, warum die Stadt sich diese Gelegenheit zu Struktur- und Imageförderung bei für sie selbst minimalem Einsatz hartnäckig ignoriert. Sinnfreie Werbung – man erinnere sich an „Wien ist anders“ – gab es schon genug.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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viennacontemporary
26 - 29.09.2019

viennacontemporary
1030 Wien, Marx Halle / Karl-Farkas-Gasse 19
http://www.viennacontemporary.at
Öffnungszeiten: Zugang nur zu gebuchten Timeslots


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