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Sinnesrausch: Kunst und Bewegung: Vom Punkt zur Linie und über die Dächer von Linz

Sommer in der Stadt? Eine Abkühlung über den Dächern von Linz anstatt überfüllter Schwimmbäder? Ein echtes Erlebnis für Alt und Jung bietet dieses Jahr der Sinnesrausch im Linzer OÖ Kulturquartier. 26 internationale Kunstprojekte ziehen sich von den Räumlichkeiten bis über die Dächer des Höhenrausches. Dabei handelt es sich um interaktive Kunst, die gesehen, gefühlt, ertastet und erlebt werden soll. Den Leitfaden durch die Ausstellung bildet der Punkt, der in Bewegung gesetzt zu einer Linie wird. Den Kuratorinnen Katharina Lackner und Genoveva Rückert geht es um fünf Dimensionen: Punkt, Linie, Fläche, Raum und Zeit. Im Vordergrund stehen künstlerische Projekte, die sich mit Bewegung und Raum beschäftigen, also bewegte Kunst, aber auch Kunst, die anregt, das Publikum miteinzubeziehen.

Während Achim Freyer den Raum zum Bild verwandelt und dem Punkt seine Bühne gibt, lässt Claudia Märzendorfer Objekte zerschmelzen und Musikinstrumente zerstören. In ihren Arbeiten spielt vor allem der Faktor Zeit eine bedeutende Rolle, um den sie den Skulpturenbergriff erweitert und so vergängliche Momente entstehen lässt. „Por um Fio – am seidenen Faden“ von Helena Martins-Costa zeigt auf die Decke des Gangs projiziert eine Akrobatin, die in der Höhe auf einem Seil balanciert. Obwohl der Besucher hier nur als Zuschauer fungiert, bewegt sich diese Arbeit zwischen Realität und Fiktion, da bereits das Hinaufschauen ein Gefühl des Schwindels verursacht. Constantin Luser überzeugt mit einer interaktiven Arbeit, die sich zwischen Musikinstrument, Zeichnung und Objekt bewegt. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine dreidimensionale Wandinstallation, die beim Annähern sphärische Töne von sich gibt und den Besucher zur Interaktivität auffordert. Das überdimensionale Seil „The Rope“ des belgischen Künstlers Ief Spincemaille kann als Sitzobjekt verwendet, aber auch begangen werden und ist so besonders beliebt bei Kindern.

Den optischen Höhepunkt bildet ein Rundgang durch Gianni Colombos „Spazio elastico“ (1967-68). Der 1937 in Mailand geborene Künstler galt als wichtiger Vertreter der kinetischen Kunst, der vor allem für seine raumbezogenen, sich mit der Wahrnehmung auseinandersetzenden Arbeiten bekannt war. Der „elastische Raum“ besteht aus einem Netz fluoreszierender Fäden, die mechanisch bewegt werden. Als Besucher begibt man sich so in einen sich ständig neu definierenden Raum, der sich unendlich fortzusetzen scheint. Passend dazu präsentiert sich Helga Philipps Sitzmöbel, das sie 1970 aus ihren auf Kreisrastern aufbauenden Siebdruckgrafiken weiterentwickelte. Grundstein des Designobjekts ist der Kreis, kombiniert mit jener Form, die sich zwischen zwei Kreisen bildet.

In einem Raum zusammengefasst wird die Thematik des Würfels. So ging Manfred Mohr in seinem Kurzfilm „Cubic Limit“ (1973-74) der Frage nach, wie viele Linien benötigt werden, um einen Würfel wahrzunehmen. Er beschäftigt sich mit dem Bruch zwischen zwei- und dreidimensionaler Wahrnehmung sowie mit der räumlich gedachten Linie. Der Thematik gegenübergestellt werden auch Arbeiten des Linzer Künstlers Helmuth Gsöllpointner sowie ein Brief an Gsöllpointner von Jean Tinguely.

Weiter oben präsentiert sich Memo Aktens Videoinstallation „Waves“, die ein aufbrausendes Wellenspektakel zeigt: Der Punkt, der zum Pixel wird. Erst bei genauerem Betrachten wird ersichtlich, dass dieses Naturschauspiel gänzlich digital nachgebildet wurde.

Weiter geht es ins Freie, wo man Marina Apollonios Arbeit „Spazio Ad Attivazione Cinetica“ betreten kann. Die sich aus exzentrischen und konzentrischen Kreisen zusammensetzende Fläche lässt ihre optische Täuschung erst bei der Wahrnehmung von verschiedenen Perspektiven entstehen.

„Tube Linz“ im voestalpine open space beeindruckt nicht nur optisch als raumgreifendes Liniengeflecht, sondern vor allem als Klettergerüst. Tunnelartige Gänge ziehen sich quer durch den offenen Raum, verdichten sich zu Kammern und heben sich wieder schwebend in die Lüfte ab. Eine Abkühlung kann man sich auf dem Dach in Benjamin Bergmanns „Fontana_il Due“ holen. Der Künstler erweiterte das für den letzten Höhenrausch konzipierte Brunnensystem aus Rohren, Leitungen und Düsen. Richtung Ausgang taucht man noch in eine gigantische, raumfüllende Stoffblase ein, wo jegliches Gefühl von Zeit verloren geht. Der von Te-Yu Wang geschaffene Raum verwandelt sich beim Betreten in eine pneumatische Installation, die in Dialog mit dem Besucher tritt.

Der Sinnesrausch hat einiges zu bieten. Obwohl er vom Umfang her dem Höhenrausch nicht ganz das Wasser reichen kann, ist die Auswahl der Künstler sehr gelungen. Auch das Konzept zieht sich wie ein roter Faden durch den Parcours. Ein Museumsbesuch der anderen Art, der zum Verweilen über den Dächern von Linz einlädt.

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Sinnesrausch: Kunst und Bewegung
24.05 - 13.10.2019

OÖ Kulturquartier
4020 Linz, OK Platz 1
Tel: +43 732 784178-0
Email: info@ooekulturquartier.at
http://www.ooekulturquartier.at/


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Man sieht nicht den Wald ...
bitteichweisswas | 22.07.2019 05:34 | antworten
Schade, dass in der Rezension nicht der wunderbare Zeichner ALDO GIANNOTTI erwähnt wurde, der mit gewitzten Piktogrammen und Handlungsanweisungen etwa im Personenaufzug oder auf Wänden und Tafeln innerhalb der Ausstellung omnipräsent ist !!??

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