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Alfredo Barsuglia - Take on me: Zwischen Fiktion und Realität

Der in Graz geborene Künstler Alfredo Barsuglia erhielt am 11. November den mit 11.000 Euro dotierten Msgr. Otto Mauer Preis, der am 4. Dezember feierlich in der Jesuitenkirche übergeben wird. Er ist einer der wichtigsten Prämierungen für die zeitgenössische Kunst, den die Erzdiözese Wien zum 39. Mal vergibt. Gewürdigt wird das gesamte Œuvre eines Künstlers bis zum Alter von 40 Jahren. Unter den bisherigen Preisträgern befinden sich erfolgreiche Persönlichkeiten wie Franz West, Brigitte Kowanz, Heimo Zobernig, Esther Stocker, Luisa Kasalicky, Nilbar Güreş oder Andreas Fogarasi. Man könnte behaupten, alle Preisträger hätten den Sprung in eine beachtenswerte Karriere geschafft.

Ebenso außergewöhnlich ist das bisherige Werk des in Wien lebenden Künstlers Alfredo Barsuglia, der gerade im tresor des Bank Austria Kunstforums seine Ausstellung „Take on me“ präsentiert. Es ist keine klassische Ausstellung, sondern vielmehr ein Ort, den er der Realität entnahm und ins Museale transformierte. Bereits beim Betreten des dunklen Untergeschoßes wird ersichtlich, dass hier etwas mit dem Raum passiert ist. Anfangs ist man ungewiss über die komplexe Situation, diese neu geschaffene Realität, die beim Durchschreiten des Raums immer präsenter und greifbarer wird. Man fühlt sich wie in eine Filmszene versetzt und wartet auf den Augenblick des Geschehens. Ein Garagentor geht auf – nicht zur Gänze, sondern nur ein kleines Stück. Was steckt dahinter? Ein Raum, in dem man sich fortbewegen kann oder eine Täuschung?

In Barsuglias Arbeit begibt man sich in einen Ort zwischen Fiktion und Realität. Schauplatz der Ausstellung sind die Wände eines Hauses, dessen Fenster Einblick in das Innere gewähren. Es ist aber nicht einfach nur ein Haus, sondern eine schauderhaft echte Hausfassade, die der Künstler scheinbar eins zu eins aus der Realität (Hüttelbergstraße 4, Wien 14) übertragen bzw. neu geschaffen hat. Barsuglia erzeugt eine fesselnde Präsenz, einen Ort, der durch seine realen Details eine verblüffende Hyperrealität kreiert. Links neben dem Garagentor bedeckt eine Graffitischrift die Fassade, wahrheitsgetreu hängt das Schild „Ausfahrt freihalten“ auf dem Garagentor, welches sich in regelmäßigen Abständen nach oben oder unten bewegt. In der Ecke der Fassade findet sich die Dachrinne wieder, während unter dem Fenster ein Lüftungsschacht hervorsticht. Hinter den Fenstern des offensichtlichen Gassenlokals sehen wir zwei Protagonisten (ein 20-minütiger Loop auf Bildschirm), die ein Objekt aufbauen. Dann wechselt die Szene in die Küche, wo eine Frau etwas zubereitet, hinter ihr hängt eine blaue Jacke, daneben ein Landschaftsgemälde Pierre Bonnards – Barsuglias Anspielung auf die zeitgleich darüber im Kunstforum stattfindende Einzelausstellung des französischen Postimpressionisten. Rechts neben der Haustür befinden sich die Klingeln zu den Wohnngen, darunter ein Abholschein der Post auf Alfredo Barsuglia ausgestellt. Wohnt oder arbeitet hier der Künstler? Ist es gar sein Atelier, das er hier nachgebaut hat, neben dem Wiener Mistkübel und dem Fahrrad, das in einem Fahrradständer steht? Und was macht die Kattus-Werbung in der rechten Wandecke? Trinkt der Künstler gerne Sekt? Und was hat es mit den Zigarettenstummeln auf sich?

Nein, es ist weder Alfredos Atelier noch seine Wohnung. Vielmehr handelt es sich um eine belanglose Szene, zwei Protagonisten, die im „9 to 5“ Arbeitstrott gefangen sind (wie es die Begleitbroschüre verrät) und sich mit Belanglosem beschäftigen – und zwar dem Aufbauen eines Regals, das sich am Ende als kulthaftes Objekt entpuppt.

Es ist nicht nur eine neue Realität, die der Künstler hier geschaffen hat, sondern gleichzeitig die Verfremdung herkömmlicher Gebrauchsgegenstände und Fundstücke aus dem Alltag. Jedes Detail ist Teil des Ganzen, ein Teil des Gesamtkunstwerks, das er so überzeugend und selbstverständlich präsentiert. Und genau diese medien- und gattungsübergreifende Arbeitsweise ist es, die Alfredo Barsuglia als Künstler so auszeichnet und ihm diesen wohlverdienten Otto-Mauer-Preis bescherte.

Und wer sich am Ende fragt, wo sich nun dieser schauderhaft reale Raum befindet, der wird schmunzeln müssen, dass die Hüttelbergstraße 4 laut Google Maps eine Shell-Tankstelle ist - ein „Nicht-Ort“, wie Mark Augé diesen nennen würde - und genau das macht es wiederum grenzgenial!

Die Ausstellung im Kunstforum Wien ist noch bis 12. Jänner 2020 zu sehen, während Barsuglia von 30. November bis 11. Jänner den Bildraum Bodensee in Bregenz mit „Drawing into the void“ in eine weitere Fiktion verwandelt.

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Alfredo Barsuglia - Take on me
07.11.2019 - 12.01.2020

Tresor im Bank Austria Kunstforum
1010 Wien, Freyung 8
Tel: +43 1 537 33 26, Fax: +43 1 537 33 18
Email: office@bankaustria-kunstforum.at
http://www.bankaustria-kunstforum.at/
Öffnungszeiten: täglich 10-19, Fr 10-21 h


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