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Von Satelliten und Luxusplaneten

Geschichte wiederholt sich doch. Ein wenig erinnert die Sunday Art Fair in London mittlerweile an die Liste in Basel. Erst recht seit im letzten Jahr Messewände eingezogen wurden. Viele Galerien könnten ebenso gut auf der Frieze ausstellen oder haben es schon. Die Ivan Gallery aus Bukarest etwa war dort, sogar auf der Masters. Dittrich & Schlechtriem ist auch nicht gerade ein Newcomer. Der Satellit hat sich zum Komplementär entwickelt. Auch wenn der Universitätskeller nie ein Hort der Start-Ups war und der rumpelige Charme wie bei der Liste vor allem gut fürs Image als Entdeckermesse war. Die Sunday zeigt viele Merkmale einer etablierten Messe. Mit der Professionalisierung sind die Preise gestiegen. Bei 3.500 Pfund Teilnahmegebühr sind experimentelle Schnäppchen kaum mehr zu erwarten.

Tobias Naehring aus Leipzig steht mit Preisen von 8.000 bis 19.000 Euro für die Arbeiten seiner deutschen Künstler exemplarisch für das in der (europäischen) Mitte angekommene Niveau der Messe. In Großbritannien oder den USA geht das immer noch als Einstiegsniveau durch. Das ist durchaus das Zielpublikum, schließlich kommen die meisten größeren Sammler hierher. Gleichwohl sei die Sichtbarkeit auf der Hauptmesse natürlich größer, und auch das Renommée, das mit einer Zulassung dort einhergehe. Der große Vorteil der Sunday: "Hier fehlen die Poser, die man auf anderen Veranstaltungen immer hat. Ich finde das ganz angenehm", erklärt Naehring.

Marian Ivan ist nach wie vor davon überzeugt, dass hier noch Entdeckungen zu machen seien. Für ihn ist die Messe vor allem eine Gelegenheit, einheimische jüngere Sammler kennenzulernen, die sich von der Frieze eingeschüchtert fühlen könnten. Im Gegensatz zur großen Messe - und zur Liste - ist die Sunday jedoch mit 30 Ausstellern ausgesprochen überschaubar.

Das lässt sich von I-54 nicht behaupten, die mittlerweile zwei Ableger in New York und Marrakesch hat. Zwar beherbergt die Messe im Somerset House lediglich 43 Galerien, doch sind die zumeist in kleinen Räumen untergebracht, so dass ein labyrinthartiger Rundgang entsteht. Nach wie vor oder immer mehr erstaunt hier die weiße und/westliche Dominanz bei den Galeriebetreibern. Direktorin Touria El Glaoui erklärt, dass mittlerweile viele westliche Galerien mit Erfahrung auf dem Kunstmarkt ihre Messe entdeckt hätten und dass afrikanische Künstler zunehmend von westlichen Galerien repräsentiert würden. Sie bemühe sich jedoch um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen afrikanischen Galerien und solchen "vom Kontinent" wie es nennt. Ihren Hauptsitz in Afrika haben bei der aktuellen Ausgabe 16 von 43 Teilnehmern. Bemerkbar macht sich die Professionalisierung des Marktsegments vor allem bei den Preisen, was vielleicht auch daran liegt, dass viele Künstler in der westlichen Welt leben und im dortigen Kontext (London/Paris/New York) sozialisiert sind. Trotzdem oder gerade deswegen ist Identität der dominierende Themenkomplex.

Bei der PAD Pavillion of Art and Design wird Identität vor allem über Geld hergestellt. Ein italienischer Aussteller meint: "Eine merkwürdige Messe. Hier sind so viele reiche Menschen von überall her, auch aus den USA, die sich ein wenig Luxus gönnen. Aber es gibt auch Sammler." Denn es gibt in dem edlen Zelt nicht nur Vintage-Möbel, Glitzerdeko und zeitgenössische Epigonenkunst, man muss nur genau hinsehen. Bei Achille Salvagni (London/Rom) etwa begeistern die minimalistischen Arbeiten von Bice Lazzari aus den 50er und 60er Jahren. Die prominent platzierten größeren Formate sind allerdings lediglich Hingucker, die als private Leihgaben unverkäuflich sind. Sie sollen Interesse wecken für die teils nur etwas größer als Postkarten ausfallenden Materialbilder, für die immerhin 20.000 Pfund verlangt werden. Für das Publikum der zentral in Mayfair gelegenen Veranstaltung dürfte das eher Mitnahmeware sein. Aber vielleicht kauft man da doch eher Schmuck bei einem der zahlreich vertretenen Juweliere für die Gattin - der macht mehr her.

Selbst für Geld nicht zu haben sind die Werke der Ausstellung "Bookmarks", die von den Budapester Galerien acb, Kisterem und Vintage nur ein paar hundert Meter weiter in einer alten Fabrikhalle organisiert wurde. Für zehn Tage haben sie Werke der ungarischen Avantgarde der 60er bis 80er Jahre zusammengetragen. Wer noch in London ist, sollte unbedingt hingehen. 

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Bookmarks – Revisiting Hungarian art of the 1960s and 1970s
Bis 14. Oktober
The Vinyl Factory, 18 Marshall St, Soho, London W1F 7BE

Sunday Art Fair
PAD London
1:54 Contemporary African Art Fair

Mehr Texte von Stefan Kobel

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